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Bitte nicht hinsehen! Ein Blick in die Zukunft (Kolumne FN Februar 2025)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Ein Erlebnis von vor einigen Wochen lässt mich nicht in Ruhe.
Ich saß nachmittags mal wieder im Bamberger Stadtbus und war dort – wie alle anderen Fahrgäste – gezwungen, das Gespräch von zwei deutlich alkoholisierten Männern mitzuerleben, die sich in unüberhörbarer Lautstärke unterhielten. Im Grunde bestand der Dialog nur aus einer Aneinanderreihung rassistischer und beleidigender Parolen.

Ich möchte hier niemanden durch die wortgenaue Wiedergabe vor den Kopf stoßen. Belassen wir es deshalb dabei, dass „Man müsste die Kanaken am besten im Mittelmeer ersaufen lassen!“ noch zu den harmloseren Scheußlichkeiten gehörte.

Nun bin ich beileibe kein sonderlich mutiger Mensch, aber nach einigen Minuten konnte ich es nicht mehr aushalten, ging zu den Herren und bat sie in bemüht ruhigem Ton: „Wenn Sie schon solchen menschenverachtenden Dreck von sich geben, könnten Sie das bitte so leise tun, dass die anderen es nicht mit anhören müssen?“

Dabei sah ich, dass direkt vor den beiden eine junge schwarze Frau saß, die mir nun einen kurzen, ängstlichen Blick zuwarf. Ich verstand diesen Blick sofort. Es war der Blick eines Menschen, der schon so viel Erfahrung mit Diskriminierung gemacht hat, dass er solchen Situationen nur noch entfliehen möchte, ohne mit hineingezogen zu werden.
Erwartungsgemäß fand meine Bitte bei den zwei Ekelpaketen kein offenes Ohr. Ich drehte mich um und trollte mich, begleitet von wüsten Beschimpfungen und einer Tirade nach dem Motto: „Des senn die wahren Nazis, die einem des Maul verbieten wollen.“

Der Bus war voll besetzt, doch abgesehen von den Unflätigkeiten der beiden Betrunkenen hörte man nicht ein Wort. Und während ich durch die Reihen an meinen Platz zurückging, wandten sämtliche Fahrgäste – fast ausnahmslos junge Leute im Studierendenalter – sich peinlich berührt von mir ab oder sahen betreten zu Boden. Die wenigen Meter fühlten sich an wie in Zeitlupe, ein langer Walk Of Shame. Einzig die ältere Dame, die mir gegenübersaß, blickte mich resigniert an, zuckte kurz mit den Achseln und guckte dann wieder gelangweilt aus dem Fenster.

Diese Momente werde ich wohl lange nicht vergessen. Zwar glaube ich, dass dieses Erlebnis – hoffentlich! – nicht repräsentativ ist für unser aktuelles Klima hierzulande. Aber es war ein Blick in eine mögliche Zukunft. Eine erschreckende, aber ziemlich nahe Zukunft für ein Land, in dem die widerwärtige Vokabel „Remigration“, die noch vor einem Jahr über 900.000 Menschen in Deutschland und Österreich dazu brachte, gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen, von der AfD mittlerweile offiziell ins Parteiprogramm übernommen wurde und beim Durchschnittsbürger heute kaum noch ein Stirnrunzeln verursacht. (Im Grunde nur eine Frage der Zeit, bis Söder und Merz die Formulierung übernehmen.)
Ich hoffe, wir können besser sein als das. Wir werden es müssen.

Arnd Rühlmann

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