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Eine Sackgasse zum Muttertag: Frausein wie in den 50ern (Kolumne aus FN Mai 2024)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Der Mai ist gekommen und mit ihm ein Feiertag, der vielen von uns Kopfzerbrechen bereitet: der Muttertag. Das Nachrichtenportal „inFranken“ präsentiert auf seiner Seite aktuell originelle Ideen für Muttertagsgeschenke, wie z.B. Blumen, Restaurantgutscheine oder Duftkerzen. Was aber, wenn man keinen Bock hat, soviel Kohle für Jochen Schweizer oder Fleurop rauszuhauen und der Weg ins Heim am 12.05. gar so beschwerlich erscheint?

Auf diese knifflige Frage lieferte das pfiffige Webmagazin bereits im vergangenen Jahr eine kreative Antwort und stellte „Die besten, kostenfreien WhatsApp-Sprüche zum Muttertag“ ins Netz. Mein persönlicher Favorit: „Bügeln, kochen, waschen, putzen – den Tag heute sollst du anders nutzen. Lass‘ doch mal die Arbeit sein und genieß‘ den Tag allein!“

Heureka! Wenn das nicht die patente Endlösung für die alljährliche Dankbekundungs-Pflichtübung der denkfaulen Nachkommenschaft ist! Ein lieblos aus dem Internet kopiertes Poesialbumverslein, per Messenger in die Familiengruppe gestellt – da wird das Muttertier aber garantiert feuchte Augen kriegen vor Rührung!
Und wer jetzt glaubt „Schöner kann man moderne Kommunikationsmedien wohl nicht mit einem Frauenbild aus den 50er Jahren kombinieren!“, hat einen neuen, unerfreulichen Social-Media-Trend verpasst.

Auf TikTok und Instagram tummeln sich gerade jede Menge junge Damen, die aussehen wie aus dem Dr.Oetker-Backbuch von Uroma, vor der Kamera kochen und putzen, und die es als ihre einzige Bestimmung ansehen, ihrem Ehemann zu dienen.

Nun ist die Sehnsucht nach einer scheinbar einfacheren Welt durchaus nachzuvollziehen, und es darf ja wirklich jede zuhause so sein, wie sie will, doch ist das aggressive Sendungsbewusstsein, mit dem diese „Tradwives“ (ein Kofferwort aus dem englischen „tradition“ und „wive“) ihre anachronistischen Lebensdummheiten in beeinflussbare, bildungskaputtgesparte Kindergehirne einbacken, durchaus problematisch. Deshalb konstatiere ich: Wer leben möchte, wie vor 70 Jahren, darf das gerne tun – aber dann bitte auch konsequent, d.h. ohne Smartphone und soziale Medien.

Wäre es nicht ökologisch sinnvoll, die Tradwives gemeinsam mit ihrem höchst unangenehmen männlichen Pendant, den „Alpha Males“ (deutsch: „Oberidioten“) in ein abgelegenes Reservat zu verfrachten, wo es kein Internet gibt und sie deshalb auch keine Gefährdung für andere darstellen? (Laut aktuellen Studien sollte die Arktis in etwa 10 Jahren eisfrei sein. Wäre das nicht eine sinnvolle Nutzung des Klimawandels?)
Dort wären sie als aussterbende Spezies unter Artenschutz gestellt und dürften sich ungestört gegenseitig bekochen und züchtigen. Ab und zu käme mal eine Doku über ihre gehorsamsbasierte Lebensform auf arte, die diese Rollenfetischist:innen als das erkennen lässt, was sie sind: Eine Sackgasse der Evolution.

 Arnd Rühlmann                

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