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Steff Porzel über die harten Saiten in Corona-Zeiten: Papierkrieg statt Sex, Drugs & Rock´n Roll

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Steff Porzel - Foto: Harald Reuther

Wenn in Bamberg „Smoke on the Water“ von Deep Purple durch die Stadien und Säle dröhnt, dann ist er sicherlich nicht weit. Stefan (Steff) Porzel ist eine der bekanntesten Rockmaschinen (Space Truckers, CHP) der Domstadt – und seine Stimme und sein Sound lösen Ekstase bei Jung und Alt aus. Oder muss man besser sagen „lösten aus“? Denn bis auf ganz wenige Auftritte zogen Corona und die Corona-Auflagen ihm und vielen anderen Gitarren- und Drumsvirtuosen den Stecker. Statt Sex, Drugs & Rock´n Roll waren Couching, Existenzängste, Papierkrieg und die verzweifelte Jobsuche abseits der Szene angesagt. Die FN schlug mit Steff die harten Saiten der fast rocklosen Zeit an…

FN: Fühlt man sich als Rocker in Coronazeiten gegenüber Gastronomie und Sportveranstaltungen benachteiligt?
Steff: Gegenüber der Gastronomie weniger. Für die Gastro waren die letzten zwei Jahre ja genauso ein Höllenritt. Aber als bei der Fußball-EM an die 80 000 Leute im Stadion aufeinandergesessen haben, während 200 Leute hier bei den zwei Konzerten, die uns genehmigt wurden, drei oder vier Plätze links- rechts- vor- zurück freihalten mussten, ist mir echt schwarzer Rauch aus den Ohren gestiegen. Es war einfach nicht fair, dass den meisten kulturellen Gegebenheiten nicht einmal eine kostendeckende Planung zugebilligt wurde, während beim Fußball mit 80.000 genehmigten Plätzen fröhliche Urständ im Stadion gefeiert wurden. Sind Viren bei Rockkonzerten ansteckender als auf Tribünen?

FN: Aber das wurde nicht überall so rigide gehandhabt?
Steff: In der Tat nicht. Was hier verboten war, hat woanders keinen Menschen interessiert. Extrem auffallend waren die regionalen Unterschiede bei der Maskenpflicht: Während in Bamberg alles an Veranstaltung behördlicherseits peinlich genau geregelt wurde, habe ich irgendwo bei Berlin einen Gig gespielt, bei dem man beim Tragen einer Maske ehrlich gesagt eher ein dickes Auge riskierte.

FN: Die 25 Prozent-Regel, also die Auslastung von Konzerten mit nur noch einem Viertel der möglichen Besucherzahl, während die Gastronomie jeden Tisch besetzen konnte, erscheint vielen auch nicht logisch…
Steff: Was der Quatsch mit dieser 25-Prozent-Auslastung-Regel soll, habe ich bis jetzt noch nicht begriffen. Ich glaube, das heißt so viel wie „Ja, ihr dürft spielen, wenn der Saal schön leer bleibt und ihr dazu bereit seid, dabei draufzuzahlen“. Ich möchte da nicht falsch verstanden werden: Mit Coronaleugnungen habe ich absolut nichts am Hut und die Maßnahmen müssen sein. Aber wenn sie getroffen werden, dann sollten sie auch für alle gelten. Klar, es geht bei Konzerten schon etwas heftiger zu, aber ich hatte schon das Gefühl, dass weniger das Virus über die Sachlage enschied, sondern mehr eine Lobby im Hintergrund. Eine solche hat der Rock’n’Roll eben nicht.

FN: Wie kommt man als Künstler:in durch diese Zeiten? Mit staatlichen Hilfen? Oder nur mit mehreren Seidla?
Steff: Es gibt zwei Arten von Finanzhilfen. Eine sogenannte „Neustarthilfe“ vom Bund und eine bayrische, die sich „Bayern Innovativ“ nennt. Mir wurde die „Neustarthilfe“ des Bundes für das zweite Halbjahr 2021 bewilligt. Das heißt, dass die Bayernhilfe für diesen Zeitraum nicht greift. Die „Neustarthilfe“ des Bundes beträgt 50 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens 2019. Ermittelt werden die Quartalsauszahlungen über das Einkommen von 2019. Aber Vorsicht: Die Auszahlungen sind nur als Vorschuss zu sehen! An die „Neustart“ Bundeshilfe, von der man nicht so genau weiß, warum sie so heißt, weil es ja keinen Neustart gibt, muss ich für 2021 voraussichtlich 2 500 Euro zurückerstatten. Man sollte seinen 50-Prozent-Überbrückungsunternehmerlohn also nicht voreilig für Champagner und Bierorgien ausgeben und lieber bei Wasser ohne Kohlensäure bleiben.

Ich würde die Musik als Beruf tatsächlich sofort an den Nagel hängen, wenn sich die Gelegenheit für etwas anderes bieten würde.

FN: Also lieber den Rockerberuf, zumindest mittelfristig, an den Nagel hängen und sich, Achtung Sarkasmus, besser einen „anständigen Beruf“ suchen?
Steff: Ich hab mich an alle Regeln gehalten und habe jetzt zwei Jahre so gut wie gar nicht gespielt. Ein „normaler“ Vollzeitjob ist mit knapp 60 Jahren kaum zu kriegen. Deshalb habe ich mir im letzten Jahr eine 450-Euro-Beschäftigung gesucht, um nicht ganz aus der Spur zu fliegen. Die 450 Euro zählen als Einnahmen und werden (natürlich zu Recht), abhängig von den persönlichen Gesamteinkünften, eventuell auf die „Neustarthilfe“ des Bundes voll angerechnet. Das heißt, von einem Minijob hat man in dieser Situation in finanzieller Hinsicht oftmals nichts, weil das Geld einem (natürlich zu Recht) unter Umständen komplett von der Hilfe abgezogen wird. Die Bedingungen für die Antragstellungen werden ständig geändert, die Sache ist sehr instabil. Was gestern relevant war, ist da heute schon unwichtig. Ich weiß nicht, wie es Kollegen geht, aber mir setzt dieses permanente Pokerspiel derzeit schon zu. Ich würde die Musik als Beruf tatsächlich sofort an den Nagel hängen, wenn sich die Gelegenheit für etwas anderes bieten würde.

FN: Hast du wenigsten den Papierkrieg in der Coronazeit gewonnen?
Steff: Falsch ausgefüllte Anträge können, auch wenn der Inhalt der Anträge für den Laien ziemlich schwer zu verstehen ist, zu Anzeigen wegen vorsätzlichem Betrug führen. Anders ausgedrückt: Man steht als Künstler dieser Tage leicht mal mit einem Bein im Knast. Ich kenne einige Kollegen, bei denen plötzlich die Staatsanwaltschaft in der Tür stand. Steuerberater sind nicht in allen Fällen und bei allen Anträgen verpflichtend, aber man sollte sich da wirklich einen suchen, wenn man sich nicht so richtig mit der Materie auskennt.

FN: Was ist dein Rat nach diesen Erfahrungen?
Steff: Ich empfehle Neueinsteigern bei künstlerischen Berufen dringend ein zusätzliches BWL- Studium inklusive einer Ausbildung zur Steuerfachkraft. Kenntnisse am Instrument jedenfalls sind derzeit bei der Ausübung dieses Berufes allenfalls von sekundärer Notwendigkeit. Zusätzlich sollte man sich den Humor bewahren. Je schwärzer selbiger ist, desto zuträglicher ist er derzeit der Gesundheit des Künstlers.

Thomas Pregl

 

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