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An der Bierfront beim 7. US-Car-Treffen auf Gut Leimershof: Der Kampf mit der Schlange

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Wenn aus einem leichten Blubbern ein sattes Röhren wird, dann ist es wieder so weit: US-Car-Treffen auf Gut Leimershof. Die Sonne strahlt mit den polierten Blechen und Stoßstangen der rüstigen Oldtimer um die Wette, tausende Autofans ergötzen sich an den geschwungenen Linien, dem Lederinterieur oder an den vielzylindrigen Motoren. Und die Servicekräfte hinter dem Tresen beginnen zu ahnen, dass heute ein Großkampftag an der Bier- und Brausefront auf sie zukommt. Auch ich, mehr Hirnakrobat als taffer Zapfer, bin im erneuten Selbstversuch dabei.

Arbeiten, wenn andere feiern – in Zeiten des Personalnotstandes längst keine Selbstverständlichkeit. Linda, Geo, Tina und Markus drücken ihre Kreuze durch, mit einem gewinnenden Lächeln bedienen sie die ersten durstigen Gäste. Cola, Apfelsaftschorle, Weizen, Wasser, gelbe und weiße Limo gehen über den Tresen. Routiniert wird eingeschenkt und kassiert. Vor allem Überblick, Schnelligkeit und eine gewisse innere Ruhe bei dem Andrang machen eine gute Servicekraft aus. „Buh“, stöhnt Linda zwischendurch. Dann lächelt sie wieder und macht ihren Kolleginnen gegenüber das Victory-Zeichen. Wer doch gelacht, wenn wir das nicht hinkriegen, beruhige ich meinen Adrenalinspiegel. Daumen hoch zu Linda.

Ich mache den Springer. An der Spültheke tauche ich immer zwei Bierkrüge gleichzeitig in die Bürsten. Fünf- sechsmal hoch und runter, dann in die Düsen der Klarspülung. Dann abstellen, Linda, Leo und Tina greifen zu. Das Bier fließt in Strömen, der Fluss darf und kann nicht unterbrochen werden. Gleichzeitig nehme ich Pfandbons und Leergut an, zahle Geld aus, greife nach weiteren abgestellten Krügen. „Pfandtastisch“, wie das Team hier schuftet ohne die Contenance zu verlieren, schmunzele ich innerlich.

Die Flaschen für die Softgetränke schieße ich mit meinen Kolleginnen in die entsprechenden Kästen. Markus wuchtet ein leeres 30-Liter-Fass hinaus und schleppt mit einem etwas gequälten Lächeln ein neues aus dem Kühlwagen hinaus. Entweder wird er so zum Bodybuilder oder löst sich in alle Schweißbestandteile auf. Ich nehme mir vor, seinen Aggregatzustand ergebnisoffen zu recherchieren. Gelegentlich helfe ich ihm. Ein harter Job. In der Lagerhalle türmen sich inzwischen Dutzende leere Fässer und Kisten nach oben. Ergebnis von vier Tage Haligali mit 11. Mittelalter-Spektakel und 7. US-Car-Treffen auf Gut Leimershof.

Während es an der Essens- und Grillausgabe etwas ruhiger, dafür aber rauchiger zugeht, sind wir im Dauerstress. Immer mehr gleicht die Flüssigkeitsausgabe einem Kampf mit der Schlange. Wie der griechische Held Herakles schlagen wir der Hydra immer wieder einen Kopf ab, doch es wachsen ihr immer neue. Die Leute wollen feiern – und das ist auch ihr gutes Recht an diesem Sommertag mitten im September. Und klar, die Sonne für die so unterschiedlich gekleidete Fangemeinde – von Petticoat, über Cowboyhüten bis hin zur schweren Rockertracht – kommt auch aus dem Zapfhahn. Aus den Boxen dröhnt Country-Musik, Rock ´n´Roll und Hillbilly. Auf dem Gelände tasten sich Finger sinnlich über heiße Autobleche, erregen Acht- und Zwölfzylinder mehr Aufmerksamkeit als freizügige Bekleidung. Trotz laufendem WM-Finale im Basketball, übertragen auf einen großen Schirm in der Veranstaltungshalle, wird gefachsimpelt, verglichen, gestaunt und gestöhnt. „Was für ein Excalibur!“ – „Wunderbares Impala Cabriolet!“ – „Hast du die geilen Rams gesehen?“ – Fette Trikes!“

Wir stöhnen nicht, pusten aber immer mal kräftig durch. Gegen 16.00 Uhr wird die Schlange kleiner. Die Thekenmädels nutzen den geringeren Zuspruch für eine schnelle Zigarettenpause. Die Jungs, Marcus und ich,  schütten sich eine kalte Limo in den durstigen Schlund. Mit Ende des Basketballspiels wird es fast ruhig am Zapfhahn. An der der Theke nichts Neues, vermeldet der Bier- und Getränkefrontbericht. Um 17.57 Uhr verkündigt Linda mit charmanter, aber bestimmender Stimme die „Last Order“. Mich zwickt es im Rücken. Leo lächelt: „Auch mich hat man schon eingerenkt!“ Markus ist trotz meiner Befürchtungen noch körperlich präsent.

Lehnsherr und Kultwirt Helmut Kann vom Gut Leimershof bittet an seinen Tisch. Es gibt Freigetränke und den einen oder anderen Happen. „Ich bin stolz auf euch! Ihr seid ein super Team!“ Auch er kann sich jetzt sacken lassen. „Dieses Jahr hatten wir 385 Autos hier – Rekord!“ Und Helmut wäre nicht Helmut, um die Mutter aller Gastronomiefragen zu stellen: „Ihr seid nächstes Jahr doch auch wieder dabei?“ Wir nicken. Etwas erschöpft. Aber wir nicken.

Thomas Pregl

Daumen hoch! Linda
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