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Müllers Lust und Bauers – Frust Über das Wandern und seine Vorsilben (Kolumne FN Ausgabe Februar 2024)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Eine der liebsten Freizeitbeschäftigungen der Deutschen ist das Wandern. War es in meiner Jugend noch die absolut lahmarschigste Art, die Ferien zu verbringen, gilt es heute als hippe und trendige Outdoor Activity, und die Wandertour liegt auf Platz 4 der beliebtesten Urlaubsarten.
Das Wandern scheint also ein urgermanischer Trieb zu sein, weshalb in einigen Sprachen (wie im Englischen oder Italienischen) das deutsche Wort „Wanderlust“ als Synonym für „Fernweh“ gebraucht wird.

Problematisch wird so eine Wanderung für uns Teutonen allerdings oft, wenn sie eine Vorsilbe wie z.B. „ein-“ bekommt. So wurde 1982 im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP niedergelegt: „Die Bundesrepublik ist kein Einwanderungsland!“
Dieser Satz war zwar damals schon historisch eher falsch und politisch fragwürdig, aber dennoch scheint das Statement bis heute in vielen Köpfen hängengeblieben zu sein. Später sprach man deshalb lieber von „Zu-“ statt von „Einwanderern“ (auch wenn kein Mensch ernsthaft den Unterschied begreift) und am liebsten von „Migranten“, was wörtlich übersetzt „Wanderer“ bzw. „Nomade“ heißt und so zumindest die Illusion erschafft, die mal als „Gastarbeiter“ und mal als „Fachkräfte“ ins Land Geholten würden nach getaner Arbeit einfach weiterziehen und somit nicht die Rentenkasse in Anspruch nehmen.

In den 2000er Jahren wurde dann das Auswandern auf einmal salon- und TV-fähig, und Sendungen wie „Goodbye Deutschland!“ bescherten uns nervtötende Nationalheld:innen wie Konny Reimann oder Daniela Katzenberger.

In jüngster Zeit hingegen scheint sich eher das Phänomen der Unterwanderung zum neuen Volkssport zu entwickeln. Weil das mit den Corona-Meuterern so gut geklappt hatte, haben Rechtsradikale und Neofaschisten keine Sekunde gezögert, die Landwirte aufzuwiegeln und sich in deren Demonstrationen gegen die Abschaffung umweltschädlicher Subventionen reinzuwanzen. Wer darauf hinweist, erhält als Antwort von den Bäuer:innen aber nicht etwa ein freundliches „Oh vielen Dank, das wollten wir ja gar nicht!“ Nein, eher muss man mit Schimpf und Schande rechnen. Oder einer Ladung brauner Gülle, was ja wenigstens irgendwie passt.

Auf der linken Seite, wo man ja traditionell auch gerne moralisch auf etwas höheren Rössern sitzt, reagiert man aber genauso verschnupft, wenn jemand andeutet, dass antifaschistische Demos oder Gay-Pride-Paraden zum CSD regelmäßig vom antisemitischen BDS oder anderen Hamas-Versteher:innen unterwandert werden. Da wird man schnell mal als Rassist:in gebrandmarkt, wenn man nicht „From the river to the sea“ mitgrölen mag.

Seien Sie also vorsichtig: Wandern mit Präposition kann knifflig werden. Aber zum Glück nicht halb so verwirrend wie andere Fortbewegungsarten. Denken Sie nur z.B. an das Wort „umfahren“, das sein eigenes Gegenteil bedeuten kann.

Arnd Rühlmann

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