
In einem begleitenden Vortrag zur noch bis zum 26. September im Bamberger Stadtarchiv zu sehenden Ausstellung „Doppelt stigmatisiert. Jüdische Opfer der NS-Krankenmorde aus der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg“ erinnerte Bezirksheimatpfleger Prof. Dr. Günter Dippold im überfüllten Lesesaal am Donnerstag an die Ermordeten und machte eindringlich deutlich, mit Bezug auch auf heute, wie es zu so einer tödlichen Entmenschlichung kommen konnte: „Der Hass, das lehrt die Geschichte, beginnt mit Worten. Aus Hass werden dann Taten!“
Die Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg, heute Teil des Bezirksklinikum Obermain, war unter der Nazi-Herrschaft ein Ort des Grauen, der Entmenschlichung und des Mordens. 1941 und 1942 wurden von hier aus 446 Patienten im Rahmen der sogenannten „T4-Aktion“ zumeist ins österreichische Hartheim deportiert und dort vergast. Die ersten zehn Opfer – sieben Frauen und drei Männer – waren jüdischer Abstammung. Vor allem ihnen ist die Ausstellung gewidmet. Auf 21 Tafeln werden Täter, Opfer aber auch Erlasse und Gesetze gezeigt, die das systematische Morden dokumentieren.
Die Juden mit Behinderungen hatten keine Überlebenschance, wie Dippold ausführte. Denn längst war aus dem uralten christlichen Antisemitismus ein rassistischer Antisemitismus geworden. Während andere Insassen nach Arbeitsfähigkeit oder wegen eventueller Verdienste im Krieg aus dem Mordprogramm selektiert wurden, traf das auf die Juden nicht zu. Sie wurden aus „medizinischer Sicht“ ermordet, aber vor allem aus rassenideologischer Sicht, weil sie Juden waren. Dippold: „Sie waren so doppelt stigmatisiert“. Fränkische Männer wie der Schriftsteller und Komponist Richard Wagner oder Julius Streicher, Herausgeber der Hetzschrift „Der Stürmer“, förderten den Judenhass und machten ihn populär. Die Vergasungsaktionen, begründet mit „Gnadentod“ und „unwerten Lebens“ waren dann, so Dippold, die „Blaupause“ für die fabrikmässigen Vernichtungslager.
Proteste von Angehörigen und Kirchen stoppten die Vergasungsaktionen. Dennoch starben in der Heil- und Pflegeanstalt Kutzenberg, wie ein ein fränkischer Gutshof gestaltet, weiterhin Menschen durch gnadenloser Unterversorgung und Hunger. Gegen Ende des Krieges lag die Sterblichkeitsrate in der Anstalt bei über 21 Prozent. Dippold: „Die Täter sprachen ihren Opfer das Menschsein ab!“ Deshalb hätten die Mütter und Väter des Grundgesetzes ganz besonders die Würde des Menschen in Artikel 1 verankert. Ziel der Ausstellung sei darum auch, „den Ermordeten und Geschädigten ihre Würde zurückzugeben“. Mit Nennung ihrer Namen und mit ihrer Lebensgeschichte. „Die Ausstellung soll dafür ein Anfang sein!“
Thomas Pregl