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Blut ist ein ganz besonderer Saft – besonders wenn es aus Bayern kommt. Und wenn aus einem Dreiviertel davon ein stimmiges und gewaltiges Ganzes wird – dann war man bei einem Konzert von der aktuellen Kultband schlechthin. Das begnadete Septett aus „Dreiviertelblut“ sprengte bei seinem frenetisch gefeierten Auftritt auf dem Hallstadter Kulturboden alle musikalischen Grenzen und zeigte mit einem „Prost auf die Ewigkeit“ (so auch der Titel ihres neuesten Albums) auf, dass es auch Licht am Ende des düsteren Tunnels mit Klimawandel, Krieg und rechtspopulistischen Allmachtsfantasien gibt.
Die Band um Frontsänger Sebastian Horn und Zeremonienmeister Gerd Baumann beherrscht die gesamte Klaviatur der Gefühle. Mal melancholisch, mal bittersüß, zärtlich, nachdenklich, witzig, hitzig, herausfordernd und zuweilen mit einem Schuss Anarchismus – ihre gewaltigen Triebwerke zünden, reißen die Fans von 20 bis weit über 80 Lenze mit. Gravitation war einmal, jetzt zählt die bodenlose Fröhlichkeit. Die Welt ist aus der Bahn geraten, das ist aber kein Grund in Dauerdepression zu fallen, sondern muss mit Selbstironie und Heiterkeit bekämpft werden. „Komm schiaß ma uns, schiaß ma uns aufn Mond, komm schau ma nach, schau ma nach, wer da wohnt“, singen sie. Man ahnt es: Gibt es da Mondmännchen, dann wird die Sause ähnlich wie in Hallstadt abgehen.
Genauso breit wie ihre kruden und kuriosen Texte über Leben, Tod und allem, was zwischen „Dackelmo“, „Deifedanz“ und „Paradies“ liegt, ist inzwischen auch die Palette der „Volksmusiker ohne Folklore“ – es gibt ordentlich was auf auf die Ohren und für die Tanzbeine. Es vereint sich, was unvereinbar scheint: Ska, Hip-Hop, Folk, Western- und Disco-Sound, Jazz, Zwiefacher, Tarantella oder treibender Rock. Gerade bei den Intros von vielen Stücken webt „Dreiviertelblut“ einen engmaschigen, magischen Klangteppich, der jedem Hollywood-Blockbuster zu Ehren gereichen würde.
Die glorreichen Sieben bewiesen an diesem Abend, dass sie nicht nur ein Ganzes sind, sondern mit ihren grandiosen Solos auch ganz alleine ihren Teufelskerl stehen können. Frontman Horn röhrt nicht nur aus vollem, mit einer Astronautenkatze-T-Shirt dekorierten Leib, sondern wirbelt sich wie Derwisch in die Bühne-Ekstase, die der Band nachgesagte bayerisch-dunkle Seite gibt es noch, aber sie weicht zunehmend dem Hellen. Nitro und Glycerin haben sich bei „Dreiviertelblut“ gefunden – und in einem gewaltigen Urknall entladen. „Dreiviertelblut“ brachte Hallstadt zum Kochen.
Thomas Pregl