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Regenbogenflagge auf Halbmast: CSD in Bamberg (Kolumne FN Juli 2025)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Juli ist’s, und auch in diesem Jahr findet wieder am 2. Wochenende der Bamberger Christopher Street Day (CSD) statt. Und Sie, werte Leser:innen, ahnen schon, dass der offizielle Kolumnen-Homo der FN sich wieder genötigt sieht, einen weiteren Beitrag zu diesem Thema zu schreiben. Tut er. Wenn auch mit jedem Jahr ein bisschen weniger begeistert. Denn wenn er ehrlich ist, der Kolumnist, macht ihm das Schwulsein einfach nicht mehr so viel Spaß wie früher. (Dafür hört er jetzt auf, so peinlich von sich selbst in der 3. Person zu schreiben, versprochen.)

Fast sehne ich mich manchmal nach der schlechten alten Zeit, in der der Homosexualität wenigstens noch so ein Hauch von Verruchtheit anhaftete, von Bohème, von alternativem Lebensentwurf. Heute ist die Schwulenszene tief gespalten: Auf der einen Seite die jungen Queers, von denen man schnell den Eindruck hat, sie interessierten sich für kaum etwas außer Parties und Pronomen; am anderen Ufer die „etablierten“ älteren Gleichgeschlechtler, die fürchten, zuviel Unangepasstheit könnte die bereits erreichten Akzeptanzrechte gefährden und die nach jedem homophoben Übergriff ängstlich in die Runde fragen, ob wir nicht selbst daran schuld sind, wenn wir den überforderten Normalos mit zuviel Regenbogengedöns auf die Nerven gehen.

Prominente Antipathieträger wie Solidaritäts-Totalverweigerer Jens Spahn machen es einem auch nicht leichter mit dem „Pride“. Wer gibt schon gerne zu, dass er verkehrsmäßig zur gleichen Community gehört wie der Masken-Marodeur? Denn egal wie vehement sich Spahn auch jegliche Queerness verbittet, ist er doch einer von uns. (One of us! One of us!)

Leider sind die Zeiten hierzulande alles andere als rosarot für ebendiese Community. Die Anzahl der Straftaten gegen LGBTIQ-Menschen steigt seit Jahren exponentiell an. Bundesweit berichten CSD-Organisator:innen von Bedrohungen und Beleidigungen. Bei einem bunten Straßenfest in Brandenburg werden im Juni Besucher von einem Dutzend vermummter Angreifer mit Schlagstöcken brutal attackiert. Der CSD Regensburg kann heuer wegen akuter „Bedrohungslage“ nur verkürzt und unter gesteigerten Sicherheitsmaßnahmen stattfinden. In Berlin macht ein Lehrer Schlagzeilen, der von Schüler:innen bedroht und gemobbt wird, wofür er von Schulleitung und Behörden nicht etwa Hilfe erfährt, sondern angeschwärzt und verleumdet wird. Währenddessen verbietet Bundestags-Eisprinzessin Julia Klöckner, zum Berliner CSD die Regenbogenflagge am Reichstagsgebäude zu hissen und untersagt gleich noch Mitarbeitenden der Bundestagsverwaltung die Teilnahme. Wegen „Neutralität“ sagt sie, und es klingt eher ein bisschen wie „Neutralisierung“.

Tja, und so werde ich am 12.07. wieder mit der Bamberger Pride Parade vom Bahnhof zum Maxplatz ziehen – obwohl es nicht mehr soviel Spaß macht. Auch für die Menschenrechte von Jens Spahn.

Arnd Rühlmann

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