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Ein Leben als Hindernis: Nebeneinander-Her-Latscher (Kolumne FN Juni 2025)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Wenn die Sommersonne lustig auf den Zinken des Gablmoo funkelt, dann bedeutet das für die Einwohner:innen und Anrainer der Bamberger Innenstadt vor allem Eines: Man kommt zu Fuß nirgends mehr durch. Schon gar nicht, wenn man es eilig hat.

Das liegt nicht nur an der schieren Masse Mensch, die sich tagtäglich durch das Weltkulturerbe wälzt, sondern vor allem an dem scheinbar in den letzten Jahren irgendwann heimlich getroffenen, aber verpflichtenden internationalen Abkommen, nachdem das Durch-die-Stadt-Flanieren tunlichst raumgreifend zu geschehen hat.

Ob nun Touristentruppen aus Hongkong, Tagesausflugskolonnen aus Suhl oder einfach Spaziergänger:innen aus hässlicheren Bamberger Stadtteilen – alle geben sich Mühe, die mittelalterlichen Gassen so hermetisch wie nur irgend möglich zu verstopfen.
Bürgersteige, Radwege und Fußgängerzonen werden zum Hindernis-parcour, denn die Rumlatschenden bummeln vorzugsweise nicht hinter-, sondern nebeneinander, in stabiler, kaum zu durchdringender Reihe. Was ist nur aus dem guten alten, in meiner Kindheit so beliebten „Gänsemarsch“ geworden? Niemand scheint sich daran zu erinnern.

Damit man schon zu zweit die größtmögliche Barriere bilden kann, haben verliebte  Blockadebegeisterte das Händchenhalten erfunden. Mir persönlich sind Paare und Pärchen, die selbst in der sengendsten Sommerhitze überall nur Hand in Hand herumwackeln müssen, seit jeher suspekt. Halten die ihre Partner:innen für so saudoof, dass sie sich sofort verlaufen würden, wenn man sie nicht am schweißnassen Patschpfötchen führt? Oder müssen sie befürchten, dass das Lebensabschnittsobjekt, wenn man es auch nur mal kurz von der Leine ließe, sich sofort dem oder der nächstmöglichen, begattungswilligen Fremden an den Hals würfe? Wer weiß. In jedem Fall signalisieren solche Dauertatsch-Duos schon von weitem: Wir beide haben uns so verflucht lieb, dass wir außerstande sind, uns voneinander zu lösen, nur damit du unbegleiteter Idiot da mit deinen schweren Einkaufstaschen vorbeikommst!

Noch schlimmer wird’s, wenn aus der Liebe irgendwann Fortpflanzung geworden ist: Muddi, Vaddi, Kronprinz Noah und die kleine Emma-Emilia stampfen in geschlossener Rotte durch die (immer noch kackenhässliche) Passage an den Stadtmauern, den leeren Kinderwagen in der Mitte als Rammbock vor sich her schiebend. Da bleibt dem einsamen Passanten nichts anderes übrig, als sich so flach wie möglich an die Wand zu pressen, bis die familiäre Fußtruppe vorbeigezogen ist.

Je größer die Gruppe, desto mehr Spaß macht es, sich als undurchdringlicher Wander-Wall (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Hit von „Oasis“) übers Bamberger Pflaster zu schieben. Wer nicht beim Einmarsch in die Sandstraße mit seinen Freund:innen die komplette Breite der Unteren Brücke einnimmt, hat doch gar nicht verstanden, wie schön Sommer sein kann!

Arnd Rühlmann

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