
Das Trümmerfeld nach dem zweiten Weltkrieg war groß. 3000 Gebäude waren in Bamberg beschädigt, die Brücken gesprengt. Es galt aber nicht nicht nur das materielle, sondern auch das geistige Trümmerfeld zu beseitigen, das die Nazi-Diktatur hinterlassen hatte. Der Diplom-Historiker Dr. Ludwig Unger stellte in seinem Vortrag „Neuanfang der Demokratie in Bayern und Bamberg unter schwierigen Vorzeichen“ am 29. April im alten E-Werk dar, wie engagierte Bamberger:innen diese Mammut-Aufgabe angingen.
Über allem stand die Frage: Wie fange ich neu an? Die US-Amerikaner gaben in ihrer Besatzungszone, zu der auch die Domstadt gehörte. den Ton an. Sie setzten auf „Denazification und Reeduction“. „Es gab keine Stunde Null“, so Unger. Denn die Frauen und Männer, die mit dem Gestern aufräumten, konnten an an demokratische Werte des Vorgestern – Weimarer Republik und Bamberger Verfassung – anknüpfen. Luitpold Weegmann, Gründungsmitglied der CSU in der Domstadt, wurde von der amerikanischen Militärregierung als Oberbürgermeister eingesetzt – und bei den ersten freien Wahlen nach fast 13 Jahren Faschismus am 7. Juni 1946 vom Stadtrat zum Oberbürgermeister gewählt.
In Bamberg gab es viel zu tun: Aus der Adolf-Hitler-Straße wurde wieder die Lange Straße, aus dem Hindenburgplatz wieder der Marienplatz. Flüchtlinge suchten eine neue Heimat, die Rolle der Kirchen wurde neu definiert, die katastrophale Wirtschafts-, Wohnungs- und Ernährungslage, begleitet von einer hohen Arbeistlosenzahl, musste ebenso angegangen werden wie die Neuausrichtung der Schulen, der Verwaltung und der Gesellschaft. Die Stadt hatte vielfach kein Geld. „Das tut weh, besonders für die, die etwas bewegen wollten“, so Dr. Unger.
Auch landes- und bundesweit setzten Bamberger politische Zeichen: Hans Ehard wurde bayerischer Ministerpräsident und bildete eine Koalition aus CSU, SPD und WAV. Prälat Georg Meixner war CSU-Landtagsabgeordneter und Herausgeber des „Bamberger Volksblatts“. Thomas Dehler, von 1945 bis 1947 Generalstaatsanwalt in Bamberg, war einer Gründerväter der bayerischen FDP und von 1949 bis 1953 Bundesjustizminister. Lorenz Krapp gilt als einer der Hauptautoren der Präambel zur Bayerischen Verfassung, die am 1. Dezember 1946 per Volksentscheid angenommen wurde.
Bamberg und Bayern waren trotz aller Widrigkeiten auf dem Weg zur Demokratie. Dr. Unger: „Es gab Leute in Bamberg, die anpacken und so auch die Leute mitnehmen konnten!“ Aber nicht alle machten sich auf den Weg. Der frühere Nazi-Oberbürgermeister Lorenz Zahneisen, auch NSDAP-Kreisleiter und SA-Brigadeführer, wurde im Entnazifizierungsverfahren von der Spruchkammer als „Mitläufer“ eingestuft. Dagegen wehrte er sich: „Ich wünsche nicht als Mitläufer eingestuft zu werden. Ich war stets aktives Mitglied der Nazi- Partei.“ In einem Strafprozess im Zusammenhang mit der Zerstörung der Bamberger Synagoge wurde er am 11. April 1949 unter anderem wegen Landfriedenbruchs zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt. Zur Beerdigung des Hardcore-Nazis im Jahr 1950, durchgeführt vom Dompfarrer, kamen, so Historiker Dr. Unger, 6 000 Trauernde.
Thomas Pregl