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Mit Wolfgang Kubicki unter der Dusche: Frieren wie in Hallstadt (Kolumne FN Oktober 2022)

Kolumne "Das letzte Wort"
Arnd Rühlmann

Frieren Sie heuer auch für den Frieden?
„Wenn man Putin ein bisschen schaden will, dann spart man Energie.“ Hat nämlich unser Vizekanzler gesagt, und wenn das stimmt, ist das vermutlich meine einzige Möglichkeit, den kriegerischen Killer-Kotzbrocken aus dem Kreml a weng zu ärgern.

Also habe ich todesmutig den Thermostat heruntergedreht, um mein Scherflein zur Unterstützung der Ukraine beizutragen. (Sicherlich haben auch die aktuellen Gaspreise bei diesem Entschluss geholfen.) So verbringe ich die Abende unter einem Haufen Decken, die diverse Tanten und Großmütter im Laufe der Jahrzehnte zusammengehäkelt haben, und die bis vor kurzem noch ein tristes Truhen-Dasein fristeten.
Die meisten meiner Freund:innen tun ebenso; und bei denen, die sich am lautesten über Raumtemperaturen von 19 Grad aufregen, habe ich die Vermutung, das sind die Gleichen, die immer behaupten, bei der Erderwärmung würden 2 Grad mehr oder weniger doch wohl keine Rolle spielen.
Meine kühle Wohnung liegt in traulicher Dunkelheit, und vergesse ich mal, einen Lichtschalter auszunkipsen, gellen mir sofort die altvertrauten Worte meines Vaters aus meiner Jugend in den Ohren: „Muss denn im ganzen Haus Festbeleuchtung sein?!“

Wie gerne hätte ich jetzt einen kleinen Holzofen für ein behagliches Indoor-Feuer. Wenn mir mal die Pellets ausgingen, könnte ich diese unsäglich öden alten Karl-May-Schwarten verheizen, die mich schon als Kind in den Schlaf gelangweilt haben.

Zur Freude meiner Kolleg:innen dusche ich noch, aber nur drei Minuten und fast kalt. Dabei wärmt mich der Zorn auf Wolfgang Kubicki, der schon vor Monaten trotzig darauf bestand, beliebig lange und warm zu duschen, dabei macht er sonst eher den Eindruck, zu heiß gebadet worden zu sein.
Auch in den Theatern zollen wir der Energiekrise Tribut und setzen Stücke wie „Der Besuch der kalten Dame“ oder „Komödie im Dunkeln“ auf den Spielplan.

Nun sitze ich hier im Kerzenschein und kratze kunstvoll diese Kolumne mit einem Bronzegriffel in ein Wachstäfelchen wie weiland die alten Römer. Zu meiner Unterhaltung spielt mein Freund die Greatest Hits von Lady Gaga auf der Blockflöte, weil er leider nicht singen kann.

Und damit uns beiden dann ganz warm ums Herz wird, erzähle ich eine erhellende, alte Bamberger Anekdote: Sie spielt in einem bitterkalten Winter vor vielen Jahren in irgendeinem Reifen-Werk in Hallstadt. Die Arbeiter im Lager mussten bei eisigen Temperaturen ihren Dienst verrichten und schlotterten wie die sprichwörtlichen Schneider. Da betrat der Chef die Lagerhalle und stellte liebevoll einen riesigen Topf mit dampfendem Tee auf, damit sich seine unterkühlten Untergebenen daran wärmen sollten. Und die fröstelnden Facharbeiter freuten sich wie die Schneekönige, denn in dem kochend heißen Kessel konnten sie prima ihr Bier auftauen.

Kolumne von Arnd Rühlmann

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