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Ich will keine Sissi 2.0! Glosse von Thomas Pregl

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Hilfe, ich will meine alte Sissi zurück! Meine Romy, meine Märchenfigur aus diesen schönen Heimatfilmen der 50-er Jahre. Das lustige Adelsmädel vom bayerische Lande. Das so niedliche Dummerle. Männer lieben solche Frauen. Und sei es auch nur am zweiten Weihnachtstag auf TV in einer einsamen „Fränkischen Nacht“. Und was kriegen wir jetzt auf Netflix? Ne freche, ungezogene, emanzipierte Rotzgöre. Nein, liebe couch potatoes, so macht die Elisabeth, wie sie im Streaming-Drama nun genannt werden will, keinen Spaß. Da helfen auch die Bamberger Kulissen nicht wirklich.

Gerade zwölf Sekunden ist „Die Kaiserin“ alt, um jeden Bamberger (m, w, d) wie beim Bockbieranstich aufschreien zu lassen. Der Dom ist zu sehen, unser Dom. Die rechte Pforte. Bamberg schreibt nach den „Drei Musketieren“ erneut Filmgeschichte. Bamberg, das Hollywood an der Regnitz! Vergessen sind für einen Moment Fake Accounts, Boni und christsoziale Homophobie. Leider finden die fränkischen Augen, zumindest im ersten Teil, dann nur noch ganz wenig Bamberg. Dort, wo der gläserne Nabel der Welt auf dem Domplatz ist, wird fleißig gehängt. Ein bisschen Gezappel – das war es schon. Und die Bamberger Möchtegernwichtigs, Hobby-Schauspieler, Selbstdarsteller oder schlicht die Leute, die als Komparsen ein bisschen Geld brauchen, sind auch nicht wirklich zu sehen. Dabei soll ihre Zahl in die Tausende gehen.

Dafür ist alles zu sehen, was wirklich nicht in einen anständigen Sissi-Film gehört: eine schnarchende Gouvernante, der Brautvater im Lotterbett, ein Kaiser, der eine Affäre mit einem Nackedei im Eisbärfell hat, eine spuckende Hochzeitskandidatin, ein Kaiserbruder, der sich einen Scheißdreck um die me too-Debatte kümmert und eine Sisi, die auf ihrem Gaul schneller reitet als jeder Winnetou der Welt.

Erstmals richtig zur Sache zwischen Elisabeth und ihrem Franz-Josef geht es nach 51 Minuten und 28 Sekunden. Beim Room Service bestellt sich das mächtigste Mannsbild Österreichs die junge Bayerin als Nachtdessert – und zitternd wie ein Erdbeben der Stärke 7,8 finden ihre Lippen zueinander.

Wie es weiter geht? Ich weiß es nicht! Vermutlich tindert sich diese „Sissi 2.0“ durch die kaiserliche Sachertorten-Stadt. Oder wird Influencerin. Geht für Friday for Future auf die Straße. Oder macht Selfies mit ihren Mädels. Vielleicht noch einen One-Night-Stand. Oder fordert kostenlose Tampons und eine Frauenquote in Europas Herrscherhäusern. Nein, und nochmals nein! Ich will meine alte Sissi zurück. Die fand zu ihrem Franzl auch ohne diesen nicht nur kalorienarmen Weight Watchers-Spruch: „Sie werden niemals fett werden – das sehe ich an Ihren Handgelenken!“

Thomas Pregl

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